GRAVIERENDE VERBRECHEN GEGEN KINDER. –
DIABOLICAL DEEDS AGAINST CHILDREN.
Hervorragender Artikel in...
ZEITSCHRIFT FÜR UNFERTIGE GEDANKEN
Herausgegeben von Florian Havemann, Daniel Küchenmeister und Helge Meves
@ http://www.zeitfug.eu/index.php?page=658
In der Zeitschrift seit: 20.04.2010
De delictis gravioribus
Erich Walter
Wer Geschichte schreiben will, sagt uns Herder, habe das Herz, die Wahrheit nackt zu zeigen. Und dieser Tage gibt es wohl kaum eine naheliegendere Adresse für jenen weisen Ratschlag als die Kirche. Die Kirche, von der hier gesprochen wird, ist die katholische, die wie Joseph Ratzinger dereinst in einem hinreißend dogmatischen Essay in der FAZ bemerkte, die Kirche im eigentlichen Sinne ist. Die Geschichte, um die es hier geht, ist die des Machtmissbrauchs, in der Kirche, durch die Kirche, für die Kirche. Genauer gesagt, die des Missbrauchs und der Ausbeutung der Schwächsten, die ihrer Obhut übergeben waren.
So sehr es den berufsmäßig Empörten & Betroffenen im Feuilleton-Mob auch gefällt, Ratzinger einen fehlenden Sinn für die Wahrheit vorzuwerfen, ist es doch viel aufschlussreicher, sich mit dem System der von ihm geleiteten Firma zu befassen und ihrem Wissen über den Klerus mit heruntergelassener Hose und den Priester als Päderasten. Denn es ist gerade dieses Wissen um die Delictis gravioribus, die schweren Verbrechen, wie es im erhabenen Latein des Vatikans heißt, das die Kirche schützen will. Seit dem Jahre 2001, als Ratzinger als Kardinalpräfekt der Glaubenskongregation die gleichnamige Epistel unterzeichnet hat, die besagt, dass die Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche für die gesamte katholische Kirche als Verbrechen gegen den Glauben zentral gemeldet werden müssen, dürfte die Kongregation pausenlos damit beschäftigt sein, jene wertvollen Informationen sorgsam auszuwerten. Ganz ergriffen davon, würdigt ein Fan der päpstlichen Behütung des Wissens, die ganze Maßnahme spontan mit den folgenden Worten: Die zentrale Meldepflicht auch für diese Straftaten wurde von Papst Johannes Paul II. und Kardinal Ratzinger insbesondere zur Vermeidung jeglicher Vertuschung in einzelnen Diözesen oder Orden geschaffen. Vermutlich aus Bescheidenheit vergisst er nur zu erwähnen, dass dieser Ermittlungsapparat auch ermächtigt wurde, jene Fälle der innerkirchlichen Geheimhaltung zu unterwerfen. Sie sind dann ein secretum pontificium, ein Geheimnis des Papstes. Nicht um profane weltliche Dinge, wie die Ansprüche der Opfer, gar der Staatsanwaltschaften und Gerichte geht es in der Direktive der Kongregation, die, um die Reinheit des Glaubens zu schützen, die Last des Wissens um so manch schmutziges Geheimnis zu schultern weiß, sondern um den Vorrang des innerkirchlichen Rechts vor dem Rechtsstaat. Wie in der Zeit also, als erprobte Gottesmänner darüber befanden, wann ein Missetäter dem weltlichen Gericht zu übergeben ist und wann man lieber alles in der ehrwürdigen Nacht der Kirche regelt. Man nannte diese Zeit Mittelalter. Doch manchmal dringt auch nach außen, wie gut die Meldepflicht funktioniert und wie damit nicht nur der Glaube, sondern auch die Würde geschützt und das Erbarmen nach Art guter Christenmenschen gefördert wird. Etwa im Falle von Father Lawrence Murphy aus Milwaukee, einem überaus aktiven Diener des Herrn. Bis zu zweihundert taubstumme Kinder hatte Murphy missbraucht, als er von 1950 bis 1974 am St. John’s Institute für Taubstumme arbeitete, wo er es bis zum Direktor brachte. Als sich Murphys Vorgesetzter, Erzbischof Rembert Weakland, Ende der 90er Jahre an die von Ratzinger geleitete Glaubenskongregation wendete, um Murphy, dessen Untaten juristisch verjährt waren, wenigsten aus dem Priesterstand zu entfernen, ging das Ganze mit der Androhung der Exkommunikation aus. Gegen Weakland. Nur unter strengster Geheimhaltung dürfe er ein Verfahren gegen Murphy einleiten. Das fand dann doch noch sein gutes Ende. Für Murphy. Der an Ratzinger persönlich appellierte, ihm zu gestatten, sein hohes Alter in der Würde seines Priesteramtes zu verbringen. Und so geschah es. Wie viel die Würde des Priesterstandes für den Vatikan wiegt, Ratzinger hat diese Frage, für die manch Laie taub zu sein scheint, nicht durch große Worte, sondern durch tätiges Handeln und im eigentlichen Sinne der Kirche diskret beantwortet: Nötigenfalls auch mehr als die von zweihundert behinderten und missbrauchten Kindern.
Auch die deutsche katholische Bischofskonferenz verfügte 2002, also etwa ein Jahr später als die Muttergesellschaft in Rom, in ihren Leitlinien über das Verfahren in Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Geistliche, dass in erwiesenen Fällen ... gegebenenfalls das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft gesucht wird. Der Verständige mag erkennen, dass die deutschen Bischöfe die Interessen der Kirche vor öffentlichen Aufklärungsbestrebungen mit einem eleganten ggf. zu wahren wissen. Doch glauben wir dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sind nun auch jähe Wendungen nicht mehr auszuschließen: Wir wollen ... eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen. Ein bedenkliches Zeichen übrigens, wenn sich ein Kirchenführer zu einem so gottlosen Begriff wie der Aufklärung bekennen muss. Und im übrigen sei die Kirche immer missverstanden worden, niemand habe die Absicht gehabt, durch innerkirchliches Recht den Rechtsstaat zu behindern, sagt Zollitsch und bedankt sich gleich beim Hl. Vater, der nicht nur ein Fels des Glaubens, sondern der Aufklärung ist: Ich bin Papst Benedikt XVI. dankbar, dass er das entschiedene Handeln der Deutschen Bischofskonferenz nachdrücklich positiv unterstützt. Er ermutigt uns, den eingeschlagenen Weg der lückenlosen und zügigen Aufklärung konsequent fortzusetzen. Aber Zollitsch will mehr: Vergebung. Denn, liebe Opfer, es ist noch nicht vorbei, die Patres geben keine Ruhe, bis ihr ihnen vergebt. So zeigt die Kirche, dass ihr Vertrauen in die, wie Marx einmal sagte, Schafsnatur des Christen, wirklich ungebrochen ist. Im Gegensatz zum Vatikan ist die katholische Kirche in Deutschland allerdings voll im Lass-Uns-Darüber-Reden-Modus. Sogar eine Missbrauch-Hotline hat sie eingerichtet. Der liebe Gott weiß, wozu das gut ist. Wenn Sie von einem unserer Mitarbeiter missbraucht wurden, drücken Sie die Eins, wenn sie uns vergeben wollen, die Zwei.
Woher dieser heilige Eifer? Die Kirche in Deutschland hatte es doch in anderen Fällen auch nicht so eilig. Das betrifft vor allem um die Hunderttausende von Kinder und Jugendlichen, die bis in die 70er Jahre in kirchlichen und staatlichen Erziehungsheimen Westdeutschlands festgehalten wurden. Das Bekenntnis nach Aufklärung kam der Kirche erst über die Lippen, als der Spiegel-Journalist Peter Wensierski, im Jahre 2006 ein Buch veröffentlichte, das das ganze Ausmaß der permanenten seelischen und körperlichen Misshandlungen und der Ausbeutung der Heiminsassen als billige Arbeitskräfte erahnen ließ. Nach einem Beschluss des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages soll nun ein Runder Tisch die missbräuchlichen Erziehungsmethoden in den kirchlichen und öffentlichen Erziehungsheimen in den Jahren 1949 bis 1975 untersuchen. In der Anhörung des Ausschusses sagte einer der Betroffenen: Ich bin zum Krüppel getreten worden, und wurde sexuell mehrfach missbraucht. Eine andere berichtet, wie sie als minderjährig Schwangere von einem Priester belästigt und trotz ihrer Schwangerschaft arbeiten und zum Zählappell antreten musste. Die hygienischen Bedingungen im Heim waren übrigens so säuisch wie der Priester. Dazu gab es auch Nonnen, die manch guten Rat für die junge Frau hatten, die ein Kind erwartete: Wenn Dir bei der Geburt was passiert, kannst Du ohne Sünden vor den Herrn treten. Der Mutterschutz lag in der Hand des Allmächtigen, so dass die Bräute Christi kein Problem damit hatten, die junge Frau wenige Tage nach der Entbindung arbeiten zu lassen, während sie dazu fromme Lieder sangen. Dann gab es eine Stunde Hofgang, denn frische Luft tut gut. Bemerkenswert ist auch die folgende Aussage, die generelle Rückschlüsse auf die Verbreitung von Straftaten, die Priester und Nonnen gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Insassen der Heime verübt haben, zulässt: Wir erhalten auch sehr häufige Hinweise auf sexuellen Missbrauch, sowohl in den Mädchen als auch in den Knabenheimen, wobei man sich vergegenwärtigen muss, dass dieser Missbrauch durch Machtmissbrauch erst möglich wurde. Die Namen der Betroffenen, die von Übergriffen durch Salesianer, Diakone, Beichtväter und anderen berichten, sind uns bekannt. Frauen, die von gynäkologischen Zwangsuntersuchungen berichten, erzählen auch, dass diese in der Form, in der sie stattgefunden haben, als sexueller Missbrauch empfunden wurden.
Weil wir auf dem Festland sind und nicht auf der Insel Irland, kommt der Ausschuss nicht auf den Gedanken, dass hinter den Zuständen ein System stecken könnte, hinter der Gewalt, ein Glauben. In Irland kommt der Ryan-Bericht in einer Untersuchung zu den unter der Leitung der katholischen Kirche betriebenen Heimen zu dem Schluss, dass die Schläge und systematischen Misshandlungen nicht nur ein endemisches Ausmaß hatten, sondern auch häufig als religiöses Ritual praktiziert wurden. In die Heime wurden in den 60 Jahren des Berichtszeitraums von Staats wegen über 30.000 Kinder eingewiesen. Der Spiegel fasst den Bericht mit den Worten zusammen: Dort sind jahrzehntelang Tausende von Kindern geschlagen, gedemütigt und vergewaltigt worden (...) Staatliche Kontrolleure hätten es von den dreißiger bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein versäumt, die chronischen Misshandlungen zu unterbinden. Die Kinder und Jugendlichen verloren auch ihre Namen und bekamen stattdessen Nummern, mit denen sie sich zu melden hatten. So wie Prof. Dr. Michael Peter Schiltsky, ein ehemaliger Insasse des evangelischen Knabenheims Westuffeln, der sich auf der Anhörung des Petitionsausschusses als Nummer 34, vorstellte. Aber wir sind hier nicht in Irland, was wir schon daran erkennen, dass in der Bundesrepublik Deutschland keine Richter wie Seán Ryan oder Staatsanwälte wie Yvonne Murphy mit der Untersuchung der schweren Verbrechen beauftragt wurden.
Und so schreitet die Aufklärung weiter voran, diesmal angeführt von der ehemaligen Pastorin und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, die nun dem Runde Tisch Heimerziehung präsidiert. Der von ihr abgezeichnete Zwischenbericht vom Januar 2010 räumt manche Untat ein, schonungslos ist von Fehlern, ja sogar Fehlleistungen die Rede, in denen auch ein gewisses System erkannt wird. Das einer unglücklichen Verkettung von Zeitumständen und missbräuchlichen Erziehungsmethoden. So fällt ein mildes Licht auf die Komplizenschaft des Staates, der 700- 800.000 Kinder und Jugendliche in die Heime einsperrte, mit der Kirche, die den Glauben in sie hineinprügeln ließ. Und schließlich, so heißt es im Bericht, galt körperliche Züchtigung damals noch als anerkanntes Erziehungsmittel. Was von dieser Argumentation zu halten ist, formulierte Professor Schiltsky einmal so: Der Spruch: „Die Zeiten waren damals so.“ stellt eine unverschämte Verharmlosung von Verbrechen wider die Menschlichkeit dar. Bereits 1950 heißt es in einem Erlass des Sozialministeriums in NRW bezogen auf körperliche Züchtigung: „...dass ich nunmehr anordnen kann, dass auf dieses Strafmittel völlig verzichtet wird. (...) Nicht die Kinder, die damals „zum Schutz vor Verwahrlosung“ ins Heim kamen, waren verwahrlost, sondern die Gesellschaft, (...) diese Gesellschaft war eine verwahrloste Gesellschaft.
Und wenn schon einmal ein Verbrechen eingeräumt werden muss, dann versammelt sich der Runde vornehm hinter den Opfern: Berichtet werden sexuelle Übergriffe und sexuelle Gewalt unterschiedlichster Formen und unterschiedlicher Dauer bis hin zu schwerer und sich jahrelang wiederholender Vergewaltigung. Als Täter (überwiegend Männer) werden vor allem Erzieher, Heimleiter und Geistliche aber auch heimexterne Personen wie Ärzte, Landwirte oder Personen in Privathaushalten, an die die Jugendlichen als Arbeitskräfte „ausgeliehen“ wurden, benannt. Auch der Runde Tisch hatte die Klarsicht zu erkennen, dass die Sprache der Opfer, die von Menschrechtsverletzungen, Folterungen und Zwangsarbeit sprechen, nicht die seine sein kann. Er spricht auch nicht von Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung, sexuellen Missbrauch von Kindern, Kindesentziehung, Kindesmisshandlung, Unterschlagung, etwa im Falle der Rentenbeiträge, nicht von sexueller Nötigung und Vergewaltigung und anderen Straftaten und Verbrechen. Die sprachliche Innovationskraft und Kreativität, mit der Ausschuss diese ganze Ansammlung von Delikten in dem instruktiven Begriff der missbräuchlichen Erziehungsmethoden etc. pp. zusammenfasste, ist doch eine ganz beachtliche, bemerkenswerte und höchst erstaunliche Tat. Auch wenn diese Verbrechen nach dem Strafgesetzbuch verjährt sind, könnte man sie doch so benennen. Aber die Integrität der Kirche scheint hier fest auf den Fels der Verjährungsvorschriften gebaut zu sein. Und ist es nicht wie ein Wunder? Aus allen Medien schallt uns die Botschaft entgegen, die Prügel-Nonnen und Priester mit weiteren Vorlieben, froh machen dürfte. Der Staat kann da nichts machen.
Wie viele der hunderttausenden Kinder und Jugendlichen, die der Staat mehrheitlich in kirchliche Heime einwies, wurden denn nun Opfer von Gewaltstraftaten, oder Sexualdelikten? Der Runde Tisch schweigt und lässt ein paar Zeitzeugenberichte in den Text kopieren. Warum haben die Behörden völlig dabei versagt, diese chronische Kriminalität zu unterbinden, wer waren die Verantwortlichen? Wer profitierte von der Zwangsarbeit? In welchem Umfang hat nicht nur das Personal der kirchlichen und öffentlichen Heime schon damals gegen geltendes Recht verstoßen, sondern auch die staatlichen Aufsichtsbehörden? Der Runde Tisch scheint dies nicht so genau wissen zu wollen, sondern bewahrt beinhart eine unerschütterliche basisdemokratische Ruhe, wie sie jedem Runde Tisch zur Ehre gereicht. Wenn es jedoch darum geht, ein größeres Verbrechen auszuschließen, für das Kirche und Staat eines Tages doch noch zur Verantwortung gezogen und zur Kasse gebeten werden könnten, legt er eine Mitteilsamkeit an den Tag, die an Klarheit wenig zu wünschen übrig lässt. Denn Zwangsarbeit, so Frau Dr. Vollmer, fand in den Heimen nicht statt, auch wenn Kinder und Jugendliche zur Arbeit gezwungen wurden. Und schließlich verfolgte man in den Heimen, keinesfalls ein der Zwangsarbeit der NS-Zeit entsprechendes Konzept der gezielten Existenzvernichtung durch härteste körperliche Arbeit. Der in Deutschland historisch besetzte Begriff der „Zwangsarbeit“ kann nicht verwendet werden – auch wenn Kinder und Jugendliche zur Arbeit gezwungen wurden und auch wenn sie dies als „Zwangsarbeit“ empfunden haben. Warum sich Frau Dr. Vollmer das Konzept der Zwangsarbeit, das in den Heimen verfolgt wurde, nicht so bezeichnen mag, hat einen also Grund, der ehrwürdiger nicht sein könnte, es ist der historische Anstand. Welch großartiger Appell an die Schamhaftigkeit der Opfer. Doch Antje Vollmer, wäre nicht Antje Vollmer, würde sie für die Betroffenen nicht noch eine kleine Geste übrig haben. Der Staat solle wenigsten die Traumatisierten entschädigen und dafür einen Fonds einrichten. Aber das kann dauern. So empfiehlt sie den Opfern Geduld. Ob der Runde Tisch auch nach den Namen der Täter sucht? Da will sich die Antje auch nicht festlegen, das sei schließlich alles so schwierig.
Fassen wir zusammen: Gleich zwei Probleme weniger für Robert Zollitsch und seine Bischöfe. Der Staat soll im Zweifelsfall für die Entschädigungen einspringen und der Schmutz der Kirche darf weiter die Freuden einer beschaulichen Anonymität genießen. Robert und die anderen Hirten können sich jetzt um wichtigere Dinge kümmern. Denn seit ruchbar wurde, dass sich Priester und andere gewerbsmäßige Katholiken an den Kindern der Ober- und Mittelschicht genauso vergangen haben, in den Privatschulen und Eliteinternaten, wie an den Kindern der Arbeiterklasse in den Heimen, kennt die Aufregung kein Halten mehr. Nun ist ein Milieu betroffen, dass sich nicht nur besser zu wehren weiß, sondern auch eines, auf das die Kirche angewiesen ist, will sie keine leerstehenden Privatschulen riskieren, für die sie auch das schöne Geld vom Staat erhält. Im Bistum München, in dessen Sprengel auch das beschauliche Kloster Ettal mit seinem Internat liegt (z.Zt. 100 Fälle) wurde sogar ein Ermittler eingesetzt, Rechtsanwalt Thomas Pfister, der nach Einschätzung der Süddeutschen Zeitung zuvor schon Bischof, die Mafia und Michael Jacksons Konzertveranstalter vertreten hatte. Warten wir ab, welche Kanzlei die Kirche beauftragt, um sich der Forderungen der ehemaligen Heimkinder zu erwehren. Aber vielleicht zeigen ja auch die Bitten um Vergebung eine Wirkung, die sich auszahlt. Es sieht nicht danach aus. Gerade vor ein paar Tagen kam doch tatsächlich jemand zum Bistum Essen und wollte seine Therapiekosten wg. Sexualmissbrauch erstattet haben. Aber das Bistum hatte nichts dafür übrig. Und falls es einmal anders kommen sollte, wäre der Fonds, den Antje vorgeschlagen hat, auch eine sehr hilfreiche Idee, um die Kasse der Kirche zu schonen.
Räumen wir es ruhig ein, die katholische Kirche am Pranger macht sich nicht schlecht. Auch, wenn es schrecklich einseitig ist. Aber hat es die Kirche nicht auch verdient? Sie hätte es immer verdient gehabt. Doch sie bekam nur selten das, was sie verdiente, weil sie noch gebraucht wurde. Weniger zum Glauben, sondern zum Herrschen. Halten wir uns hierzu einmal an den Dichter Peter Hacks, der auch hier Erhellendes zur Klärung der Lage beiträgt. Die Kirche, stellt Hacks fest, ist die Fortsetzung der Politik mit christlichen Mitteln (Hacks Werke, Bd. 14, S.478). Und so war es ja auch. Denn nicht der liebe Gott, sondern der Staat ließ die Kindlein in die Heime kommen, wo sie vergewaltigt, geprügelt und ausgebeutet wurden. Wie in Irland, also auch in Deutschland. Diejenigen, die jetzt verlangen, dass sich der Papst für die Verbrechen seiner Mitarbeiter demütigst entschuldigt, dokumentieren damit nur ihr Unvermögen, die entwürdigende Behandlung der Heimkinder auch als Teil einer Staatsräson zu erkennen und zu benennen, wie sie in Deutschland bis zur Aufhebung der Heime in den 70er Jahren obwaltete. Die Wahrheit nackt zu zeigen, hieße hier, auch die Geschichte der beiden deutschen Staaten zu erzählen, die ihre schwer erziehbaren, auffälligen, aufmüpfigen oder auch behinderten Kindern und Jugendlichen durch Jugendämter und Polizei aus dem Verkehr zogen. Im Westen übergab man sie gern der Hl. Mutter Kirche zur Kasernierung; im atheistischen Osten besorgte man das selbst. Nun ist ein klärendes Wort über die Staatsräson nicht jedermanns Sache. Und so verfährt das kommentierende Personal der Republik häufig nach einem bewährten Grundsatz: Lets talk about Sex. So ist die anachronistische Sexualmoral der Kirche schnell als der Schoß, aus dem das Verderben kroch, markiert. Und verheiratete Priester, sind ja eben doch ganz anders als manch anderer Mann, sie schänden keine Kinder, prügeln keine Kinder und beuten sie nicht aus. Das schafsmäßige Vertrauen mancher Journalisten in die höhere Moral der Gottesmänner, ist intakter als man annimmt. Da sollten doch warme Wellen der Erleichterung durch die Reihen des Klerus wogen. Stattdessen mault er lieber über die unfaire Behandlung der Kirche in den Medien. Die Kirche und ihre verdorbenen Greise sind eben nicht vom Kirchenkampf, also von ihrem Kampf gegen die Säkularisierung abzubringen.
Worauf soll die Kirche da noch hoffen, außer auf Gott? Auf die weltlichen Mächte, die Politik, den Staat. Denn sie bestimmen ja die Normen, mit denen die irdischen Handlungen der Kirche zu beurteilen sind. Es ist ja nicht so, dass der Staat nicht wüsste, was Zwangsarbeit, sexuelle Ausbeutung und Folter ist. Aber er hält sich in frommer Scheu und wohlverstandenem Eigeninteresse zurück. Etwa bei der Frage, ob in den kirchlichen Erziehungsheimen nicht gegen das ILO-Übereinkommen über Zwangsarbeit verstoßen worden ist. Demnach ist Zwangs- oder Pflichtarbeit jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Das hat die Bundesrepublik 1956 ratifiziert. Was den Opfern der Heimerziehung damals nichts genützt hat, und wenn es nach dem Willen der Pastorin Vollmer geht, auch weiterhin nichts nützen wird. Denn in Antjes Logik ist es eine Frage des historischen Anstandes, die ILO-Norm nicht anzuwenden. Und die Kirche fährt doch auch ganz gut damit, dass ihr Gewaltregime in den Erziehungsheimen, wenn es denn schon nach und nach ans Licht kommt, vor allem als Exzesstaten Einzelner und als Verkettung unglücklicher Umstände verklärt wird. Das an den Heimkindern vorsätzlich praktizierte Zufügen großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden, etwa um eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie (...) einzuschüchtern oder zu nötigen, mag der einschlägigen UN-Konvention entsprechend als Folter bezeichnet werden. Aber die Untaten des kirchlichen Heimpersonals werden vor der Anwendung der Konvention geschützt. Durch den Staat, denn wer sollte es sonst tun? Die Kirche, die es zuließ dass Kinder an Landwirte, Ärzte und andere Mitglieder der guten Gesellschaft zu deren wirtschaftlichen Vorteil und leiblichen Wohl verliehen werden konnten, muss sich auch keine Sorgen machen, dass sie der sexuellen Ausbeutung Minderjähriger bezichtigt wird.
Wen kümmert das alles? Offenbar nicht die Innenministerien, die Justizministerien und keinen Menschrechtsbeauftragten. Vom irdischen Verbrechen verstehen so Viele so professionell zu schweigen, wie Joseph Ratzinger. Wir sind Papst.
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Herzliche Grüße aus dem Lande Down Under
von Martin in Adelaide, Süd Australien
„Ehemaliges Heimkind“ Martin MITCHELL; Jg. 1946
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Meine [ d.h. Martin MITCHELLs ] eigene momentane Unterschrift: Eine Verhandlung oder ein Verfahren ohne QUALIFIZIERTEN juristischen Rechtsbeistand, Recht und Gesetz ist wie ein Gebäude ohne Fundament – ein Kartenhaus, und ein Armutszeugnis für jede "Demokratie" und angeblichen "Rechtsstaat", wo versucht wird dies einzuschränken.
My [ ie. Martin MITCHELL’s ] own current signature: Negotiation with the perpetrators, your detractors and opponents without QUALIFIED legal counsel present and by your side throughout and at all times, and without reliance upon the law and jurisprudence, is like a building without a foundation – a house of cards, and any attempt at curtailment of these rights is clear evidence of incompetence, incapability and incapacity of a country’s "constitutionality" and it’s "democracy".
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„Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf ‚Landesverrat‘ genannt wird.“ ( Erich Kästner )
Tuesday, May 4, 2010
Gravierende Verbrechen gegen Kinder, die aber auch von Antje Vollmer nur als Fehlleistungen angesehen werden, die auf Zeitumstände zurückzuführen sind
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