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Friday, November 12, 2010

„Heimopfer-Rechtsverfechter“ im Einsatz für „Ehemalige Heimkinder“: 9.11.2010 Schriftstück von Rechtsanwalt Christian Sailer über einen Fall in Bayern

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Ein 3-seitiges höchst relevantes Schriftstück von Christian Sailer ( Rechtsanwalt ) im vollständigen Wortlaut.

»Entscheidung des Landesversorgungsamtes Bayern vom 7.10.2010 zu Gunsten eines Ehemaligen Heimkindes«

Von höchster Priorität !

Nach eingehendem Studieren meinerseits dieses gemeinsamen Schriftstücks ( von Prof. Dr. Manfred Kappeler und Rechtsanwalt Christian Sailer vom 9. November 2010 ), bin ich der Meinung, dass nicht nur die ersten neun Seiten dieses PDF-Dokuments @ http://www.veh-ev.info/archivpdf/profkappeler.pdf von sehr hohem Wert sind, aber auch

vielleicht sogar noch mehr so

die letzten drei Seiten

Darum zitiere ich jetzt hier diese letzten drei Seiten im genauen Wortlaut für Euch alle.

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»»» Entscheidung des Landesversorgungsamtes Bayern vom 7.10.2010 zu Gunsten eines Ehemaligen Heimkindes

Im Oktober 2010 hat das Landesversorgungsamt (Zentrum Bayern Familie und Soziales in Bayreuth) „als Folge von Schädigungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz“ einer heute neunundvierzigjährigen Frau, die viele Jahre ihrer Kindheit und Jugend in einem (kirchlich geführten) Heim der Jugendfürsorge leben musste, eine Schwerbeschädigten-Versorgung zuerkannt.
In der Begründung heißt es: „Sie sind während ihres Aufenthalts im Marienheim Würzburg in der Zeit von Mai 1964 bis September 1974 das Opfer von Gewalttaten im Sinne des § 1 OEG in Form von körperlichen Misshandlungen und sexuellem Missbrauch geworden.
Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung ist die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs erforderlich, woran vorliegend kein Zweifel besteht.“
Die Antragstellerin hat über lange Zeit in einem Heim der Jugendfürsorge sexuelle Gewalt und andere Misshandlungen erdulden müssen. Diese Taten wurden an ihr vor der Verabschiedung des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) im Jahre 1976 verübt. Folgen von Gewalttaten, die vor diesem Datum stattfanden, werden in Verfahren nach dem OEG in der Regel nicht anerkannt. Es gibt in diesem Gesetz aber eine Härteregelung (§ 10a Abs. 1 OEG), nach der Personen, die in der Zeit vom 23.5.1949 bis 15.5.1976 Opfer von Gewalttaten wurden, entschädigt werden können, wenn sie „allein in Folge dieser Schädigung schwerbeschädigt sind“ und „bedürftig“ sind.
Die „Beschädigtenversorgung“ beinhaltet in diesem Fall auch einen „Berufsschadensausgleich“ und eine „Ausgleichsrente“.
Entscheidend für den Beschluss des Landesversorgungsamtes Bayern waren die im OEG vorgesehenen „Beweiserleichterungen“: Soweit ein Antragsteller beim Nachweis der mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen in Beweisnot gerät, können seine eigenen Angaben der Entscheidung zugrunde gelegt werden, soweit sie nach den Umständen des Einzelfalls glaubhaft erscheinen. Der „Ursachenzusammenhang“ zwischen den Schädigungshandlungen und den aus ihnen resultierenden gesundheitlichen und beruflichen Folgen muss nicht stringent nachgewiesen werden, sondern es genügt, dass der Ursachenzusammenhang wahrscheinlich ist.

Für die Empfehlungen des Rundes Tisches Heimerziehung bezogen auf finanzielle Entschädigungsleistungen für Ehemalige Heimkinder durch den Bund, die Länder, die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände hat dieser Beschluss des Landesversorgungsamtes Bayern große Bedeutung. Viele Ehemalige Heimkinder haben unter ähnlichen Gewalttaten leiden müssen wie die Antragstellerin. Bei vielen

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ist das „Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert“ worden und viele können „in Folge ihres Gesundheitszustands (…) eine ihnen zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausüben“ (Zitate aus der Begründung des Beschlusses des Landesversorgungsamtes Bayern).

Damit erkennt das Landesversorgungsamt an, dass die während der Heimerziehung erlittenen Schädigungen zu einer erheblichen Minderung der Lebenschancen (berufliche Teilhabe und Einkommen) geführt haben, und es berechnet auf dieser Grundlage einer monatliche Entschädigungsrente für eine Schwerbeschädigte, die sehr viel höher ist als der von den Ehemaligen Heimkindern am Runden Tisch Heimerziehung geforderte Entschädigungsbetrag. Dieser Beschluss macht 1. deutlich, wie unhaltbar die Abwehr der VertreterInnen der Öffentlichen und Freien Träger der Jugendhilfe am Runden Tisch Heimerziehung gegenüber einer für den Einzelnen spürbaren, seine finanzielle Situation wirklich verbessernden Entschädigungszahlung ist, und er zeigt 2. wie zurückhaltend die Forderungen der Ehemaligen Heimkinder am Runden Tisch Heimerziehung auf eine Rente von Euro 300 monatlich oder wahlweise von ca. 60.000 Euro Einmalzahlung ist, die nicht auf andere soziale Transferleistungen angerechnet werden darf.
Von allergrößter Bedeutung für die „Nachweispflicht“ der Opfer der Heimerziehung der vierziger bis siebziger Jahre sind die zitierten „Beweiserleichterungen“, weil sehr viele Ehemalige Heimkinder, deren Jugendamts-, Vormundschafts- und Heimakten vernichtet wurden oder nicht mehr auffindbar sind, nur so zu ihrem Recht kommen können.
Dass der Ursachenzusammenhang zwischen den während der Erziehung im Heim erlittenen Schädigungen und ihren Folgen für das berufliche Leben nicht stringent nachgewiesen werden muss und es genügt, wenn dieser Zusammenhang wahrscheinlich ist, sollte bei der Entschädigung Ehemaliger Heimkinder aus einem einzurichtenden nationalen Entschädigungsfonds als Leitlinie für alle lebenslangen Negativfolgen der Erziehung im Heim übernommen werden.

Der Antragstellerin wurde von der Behörde geglaubt, obwohl der Freie Jugendhilfeträger, in dessen Heim sie zehn Jahre lang misshandelt wurde, jeden einzelnen konkreten Vorwurf bestreitet und alles versucht hat, um in dem jahrelangen Verfahren die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin infrage zu stellen.
Diese hatte bereits 2003 dem zuständigen Versorgungsamt ihre Misshandlungen während der Jahre im Heim geschildert, das aber diese Mitteilungen nicht zum Anlass nahm, ein Opferentschädigungsverfahren einzuleiten. Im Jahre 2004 versuchte sie abermals, ein OEG-Verfahren zu erreichen. Der zuständige Beamte hielt sie aber von der Stellung eines formellen Antrags ab, indem er ihr einredete, dass sie damit keinen Erfolg haben werde. Den jetzt vom Landesversorgungsamt Bayern positiv entschiedenen Antrag stellte sie schließlich 2008. Im Bescheid des Landesversorgungsamtes werden das Nicht-Handeln beziehungsweise die Zurückweisung des ursprünglich zuständigen Versorgungsamtes gerügt: Das OEG sei „unrichtig“ angewendet worden und das Versorgungsamt sei von einem

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„unrichtigen Sachverhalt“ ausgegangen. Der Antragstellerin seien „soziale Leistungen zu Unrecht“ vorenthalten worden.

Wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass diese Entscheidung des Landesversorgungsamtes Bayern im Kontext der gesellschaftlichen Aufklärung über die gewaltförmige Erziehung in den Heimen der Jugendfürsorge der vierziger bis siebziger Jahre möglich geworden ist, muss dennoch leider gesagt werden, dass es sich um eine Einzelentscheidung handelt. Es ist nicht zu erwarten, dass die Versorgungsämter bundesweit der Argumentation des Landesversorgungsamtes Bayern folgen werden. Außerdem ist der „lange Weg“ eines OEG-Verfahrens den allermeisten Ehemaligen Heimkindern altersmäßig und kräftemäßig nicht mehr zuzumuten. Die Antragstellerin in dem hier berichteten Verfahren war zu Beginn dieses langes Weges dreiundvierzig Jahre alt und ist damit eines der jüngsten Ehemaligen Heimkinder, die gegenwärtig um ihre Rehabilitation und ihre Entschädigung kämpfen. Dass sie nicht aufgegeben hat und sich schließlich durchsetzen konnte, ist ihrer persönlichen Stärke, einem außergewöhnlich unterstützenden sozialen Netz und einigen glücklichen Umständen zu verdanken. Auch die entwürdigende, mit der Gefahr posttraumatischer Reaktionen verbundene Prozedur eines OEG-Verfahrens, in dem in der Regel die Glaubwürdigkeit Ehemaliger Heimkinder infrage gestellt wird, ist unzumutbar. Es geht also nicht, mit dem Verweis auf die Entscheidung des Landesversorgungsamtes Bayern Ehemalige Heimkinder auf ein Opferentschädigungsverfahren nach dem OEG zu verweisen.

Der Beschluss des Landesversorgungsamtes Bayern zeigt aber, wie eine Empfehlung des Runden Tisches Heimerziehung in seinem im Dezember 2010 zu erwartenden Endbericht, bezogen auf die finanzielle Entschädigung Ehemaliger Heimkinder, und das Verfahren zur Erlangung einer solchen Entschädigung aussehen müsste. Das Landesversorgungsamt Bayern ist keine humanistisch orientierte Sozialstation, sondern eine juristisch nüchtern erwägende und rechnende Behörde, die geltendes Recht angewendet und das nicht rechtmäßige Handeln vorgelagerter Behörden kritisiert und korrigiert hat. Die VertreterInnen des Bundes, der Länder, der Kommunen, der Kirchen und Wohlfahrtsverbände sollten sich an diesem Beispiel orientieren.

Die Antragstellerin hat die Unterzeichnenden, die sie in ihrem OEG-Verfahren juristisch und fachlich geholfen haben, gebeten, mit dieser Stellungnahme die in jeder Hinsicht berechtigten Forderungen der Ehemaligen Heimkinder am Runden Tisch Heimerziehung in Berlin zu unterstützen.

Berlin, 9. November 2010

Dr. Christian Sailer, Rechtsanwalt

Prof. Dr. Manfred Kappeler, Erziehungswissenschaftler «««


Siehe auch den Hinweis vom 12.11.2010 und die seitherigen Kommentare DAZU in Dierk Schaefers Blog @ http://dierkschaefer.wordpress.com/, d.h. den dortigen Beitrag mit der Überschrift »Prof. Dr. Manfred Kappeler: Vom „Zwischenbericht“ des Runden Tisches Heimerziehung zum Entwurf des „Endberichts“ – Zwischen den Zeilen gelesen II«


QUERVERWEIS: »„Heimopfer-Rechtsverfechter“ im Einsatz für „Ehemalige Heimkinder“: 9.11.2010 Schriftstück von Prof. Dr. Manfred Kappeler (Erziehungswissenschaftler)« @ http://heimkinderopfer.blogspot.com/2010/11/heimopfer-rechtsverfechter-im-einsatz.html

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Jeder kann auch HIER einen sachbezogenen Kommentar in diesem EHEMALIGE HEIMKINDER BLOG Nr. 2 zu diesem »„Heimopfer-Rechtsverfechter“ im Einsatz für „Ehemalige Heimkinder“: 9.11.2010 Schriftstück von Rechtsanwalt Christian Sailer über einen Fall in Bayern«-Bericht – UND AUCH ZU JEDEM ANDEREN BERICHT IN DIESEM BLOG ! – abgeben, und ein jeder solcher Kommentar wird dann auch HIER für alle Leser sichtbar sein.
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Meine [ d.h. Martin MITCHELLs ] eigene momentane Unterschrift: Eine Verhandlung oder ein Verfahren ohne QUALIFIZIERTEN juristischen Rechtsbeistand, Recht und Gesetz ist wie ein Gebäude ohne Fundament – ein Kartenhaus, und ein Armutszeugnis für jede "Demokratie" und angeblichen "Rechtsstaat", wo versucht wird dies einzuschränken.

My [ ie. Martin MITCHELL’s ] own current signature: Negotiation with the perpetrators, your detractors and opponents without QUALIFIED legal counsel present and by your side throughout and at all times, and without reliance upon the law and jurisprudence, is like a building without a foundation – a house of cards, and any attempt at curtailment of these rights is clear evidence of incompetence, incapability and incapacity of a country’s "constitutionality" and it’s "democracy".

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Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf ‚Landesverrat‘ genannt wird.“ ( Erich Kästner )


1 comment:

Anonymous said...

Leider ein neuer infamer Schlag gegen Heimkinder.
Die Entschädigungszahlungen werden jetzt erst mit einer Verzögerung von mehreren Monaten Ausbezahlt. (Amt für Jugend und soziales Mainz)Wer also nicht in der Lage ist das Geld vorzulegen kann keine Sachwerte beziehen,weil kein Lieferant solche Zahlungsziehle einräumt.